Das KZ Buchenwald

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Die blaugraue Jacke mit dem Roten Winkel

Die Web-Seite der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V. zeigt in Schleife einige Fotos. So unter anderen eines von der Vitrine in der ständigen historischen Ausstellung der Gedenkstätte Buchenwald mit Teilen der Häftlingsbekleidung.

Auf einem der Bügel hängt eine blaugraue Jacke, auf deren linker Brusttasche der Rote Winkel und darunter die Häftlingsnummer 2455 befestigt sind. Die Jacke gehörte dem deutschen politischen Häftling, dem Kommunisten Reinhold Lochmann.

R. Lochmann 1945

Reinhold, geboren im Kriegsjahr 1914, wuchs in einem proletarischen Elternhaus auf und fand frühzeitig Anschluss an die politisch organisierte Arbeiterbewegung. Er war ein vielseitig interessierter, bildungshungriger Jungkommunist. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit dem neuen Medium Radio. Sein Berufswunsch, Rundfunkmechaniker zu werden, ließ sich nicht realisieren. Die sich gerade profilierende Innung legte weniger Wert auf technische Kenntnisse, als viel mehr auf eine Zensur im Religionsunterricht und diese fehlte. Als er die Lehre zum Fahrradmechaniker beendet hatte, entließ man ihn in die Arbeitslosigkeit. Im „Arbeiter-Radio- Bund“ eignete er sich beständig weiter Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten an. Die gebotenen Möglichkeiten zum Erwerb weltanschaulichen und marxistischen Wissens nutzte er für die praktische politische Arbeit in seiner Heimatstadt Dresden und darüber hinaus in der Bezirksleitung Sachsen des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland.

Bereits im April 1933 geriet er in die Fänge der gerade an die Macht gelangten Hitlerfaschisten. Nach Misshandlungen durch die SA wurde ihm der Schutzhaftbefehl erteilt, was verbunden war mit der Einweisung in das so genannte Schutzhaftlager Hohnstein in der Sächsischen Schweiz. Im Dezember 1933 entlassen, wurde er wieder in die illegale Widerstandsarbeit einbezogen. Im Februar 1935 erneut verhaftet, wurde Reinhold Lochmann im November 1935 durch das Oberlandesgericht Dresden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren und vier Monaten Zuchthaus verurteilt. Vom Zuchthaus Zwickau aus musste er im Juni1937 ins Aschendorfer Moorlager. Als am 30. Juni 1938 seine Haftzeit beendet gewesen wäre, verkündete ihm das Amtsgericht Papenburg im Emsland den Schutzhaftbefehl der Gestapo – Zentrale Berlin und das bedeutete die Einweisung in das Konzentrationslager Buchenwald.

In diesem Lager traf er auf Genossen, die er aus gemeinsamer politischer und illegaler Arbeit kannte. Aufgenommen in den Kreis jener Kameraden, die sich organisiert dem SS-Terror widersetzten und in scheinbar aussichtsloser Lage mit unbeugsamem Lebenswillen Zweifelnde aufrichteten, Menschlichkeit verbreiteten und solidarisch Leben retteten, gelang es, ihn in das Elektriker-Kommando einzugliedern. In der Radiowerkstatt mit dem Bau von Verstärkerschränken für die SS-Kasernen und gelegentlichen Reparaturen von Radios der SS beschäftigt, hörte Reinhold Lochmann heimlich ausländische Sender ab und leitete das Gehörte auftragsgemäß an die illegale Leitung der KPD im Lager weiter.

Im Sommer 1942 konnte er ein Gerät bauen, das legal mit Billigung der SS für Rundfunkübertragungen, illegal jedoch für das Abhören ausländischer Sender über Kopfhörer genutzt werden konnte. Dadurch war der sichere unabhängige Empfang von Nachrichtensendungen über Kurzwelle bis zur Befreiung des Lagers am 11. April 1945 gewährleistet.

Mitte Mai 1945 endeten für Reinhold Lochmann zwölf Jahre in faschistischen Haftstätten.
Sein Dresdener Elternhaus war beim Bombenangriff am 13. Februar 1945 total zerstört worden. Sein Vater und Teile der Familie wurden Opfer des Infernos. Von der Mutter hatte er keine Nachricht. Einzig in Meuselwitz sollten sich Verwandte aufhalten. Dorthin kam Reinhold Lochmann, er trug die blaugraue Jacke mit dem Roten Winkel. Seine spätere Ehefrau Liesbeth lernte ihn in dieser Jacke kennen. Sie bewahrte die Jacke über den Tod von Reinhold Lochmann im Juli 2008 hinaus auf.
So wie die befreiten Häftlinge in Buchenwald am 19. April 1945 geschworen hatten, nahm er sofort die Arbeit auf, um ohne Nazismus eine neue Welt des Frieden und der Freiheit zu schaffen. In verschiedensten leitenden Funktionen wurde er tätig, studierte im Fernstudium und wurde diplomierter Gesellschaftswissenschaftler. Aufmerksam pflegte er Verbindungen zu seinen Buchenwalder Kameraden. Mit viel Energie unterstützte er die Öffentlichkeitsarbeit der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald und trat unermüdlich als Zeitzeuge auf.
Die einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Oktober 1989 in der DDR

nahm der Kommunist mit großem Schmerz wahr. Er mobilisierte noch einmal alle Kräfte, gehörte zu den Gründern der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald – Dora und als deren Vorsitzender wirkte er im Kreis seiner Kameraden im Sinne des Schwurs von Buchenwald. Zugleich nahm er Aufgaben als Vertreter der DDR und später als ein deutscher Vertreter im internationalen Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos wahr und als Emil Carlebach als Erster Vizepräsident des Internationalen Komitees aus alters- und gesundheitlichen Gründen nicht mehr Verantwortung wahrnehmen konnte, wurden Reinhold Lochmann dessen Aufgaben übertragen.

Die schmerzlichste Erfahrung für ihn war, dass Deutsche sich wieder an Kriegen beteiligten und dass junge Menschen der faschistischen Ideologie folgten.
Reinhold Lochmann kämpfte mutig gegen Geschichtsverfälschungen und Lügen sowie für die konsequente Wahrung des antifaschistischen Vermächtnisses.

Übergabe der Jacke

Die blaugraue Jacke des deutschen politischen Häftlings Reinhold Lochmann, die er aus dem KZ Buchenwald in die Freiheit trug, wurde von seinen Töchtern Gisela und Regina anlässlich des 70. Jahrestages der Selbstbefreiung der Häftlinge des KZ Buchenwald im April 2015 an die Gedenkstätte Buchenwald zum Verbleib übergeben.

Gerhard Hoffmann

Der Text ist von Gisela Plessgott, Berlin und Regina Grzam, Gera im Juni 2025 autorisiert worden.

Verwendete Literatur:

Günther, Gitta/Hoffmann, Gerhard: Konzentrationslager Buchenwald 1937 bis 1945. Kleines Lexikon. Rhino Verlag, Ilmenau, 2016.
Hartung, Hans-Joachim: Signale durch den Todeszaun. VEB Verlag Technik, Berlin, 1974.
Hochmuth, Peter/Hoffmann, Gerhard: Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen. Lebensbilder. Dietz Verlag, Berlin, 2007.